AUFGESPIESST

Schierwater's Stauspur

Das Gänseliesel hat's schon schwer. Ständig muß es sich am Marktplatz von irgendwelchen Fremden ablecken lassen oder sich neuerdings auch literarische Ergüsse anhören. Und jetzt muß es auch noch einen Ostermarkt ausrichten. Denn ab heute steigt vor dem Alten Rathaus "Gänseliesel's Ostermarkt". Wobei sich einige Fragen aufdrängen. Warum kriegt jetzt auch das Gänseliesel ein anglophiles falsches Genitiv-s mit Apostroph, wie es sonst in Geschäftsbezeichnungen wie "Ferdi's freundlicher Friseursalon" immer wieder gern benutzt wird?

Sollte der Markt nicht sowieso besser "Goose girl's great Easter market" heißen? Wird jetzt die IGS Geismar in Lichtenberg's Schule" umbenannt? Wird Forschung demnächst an "Max Planck's Instituten" betrieben? Wird die Universität in Georg's August-Universität umbenannt? Können wir bald auf "Schiller's Wiesen" spazierengehen? Wenn es jetzt jedenfalls üblich wird, Leute für etwas verantwortlich zu machen, für das sie so rein gar nichts können, so dürfen wir mit Fug und Recht auch das Verkehrsproblem auf der Godehardstraße wieder "Schierwater's Stauspur" nennen.

Jörn Barke, Göttinger Tageblatt

(23.3.99)


Im Internet ist "nicht's" möglich

Mittlerweile kann man "Sonntag's" einkaufen gehen oder auch einfach "nicht's" tun. Immer häufiger wird ein Apostroph-s gesetzt, wo es eine einfache Endung auch täte. Längst betrifft dies nicht mehr nur den Genitiv wie etwa in Susi's Salon, Frank's Frittenbude oder Bernd's Büroservice. Der Göttinger Daniel Fuchs hat deshalb eine "Apostroph-S-Hass-Seite" ins Internet gestellt und der ausufernden falschen, dem Englischen nachempfundenen Verwendung des Apostroph-s im Deutschen den Kampf angesagt.

Auf Fuchs' Internetseite sind zahlreiche Beispiele für falsch verwendete Apostrophe versammelt. Längst wird nicht mehr nur das Genitiv-s mit Apostroph abgetrennt, sondern auch das Plural-s und auch alle möglichen anderen 's' am Wortende. So hat Fuchs bei einer Internetsuche über die Suchmaschine Alta Vista nicht nur 11142 Webseiten mit dem deutschsprachigen Wort "Infos", sondern auch etwa 1000 Seiten mit dem Wort "nicht's" gefunden.

Einige mißbräuchliche Verwendungen dokumentiert Fuchs anhand von eingescannten Fotos oder Anzeigen, manchmal legt er Links zu Internetseiten. Auch im englischsprachigen Raum - dies zeigen Fuchs' Beispiele und Verweise - wird mittlerweile oft das Plural-s mit Apostroph abgetrennt.

Begonnen zu sammeln hat der 32jährige, als er 1993 in Australien "Men's Jean's" zum Verkauf angeboten sah. Er fotografierte die seltsame Pluralbildung, begann 1997 systematisch zu sammeln und gestaltete nach einem besonders kuriosen Fall Mitte 1998 eine Internetseite.

Fuchs findet die merkwürdigen Apostrophbildungen "häßlich und unnötig", ist sich aber der Übermacht des Feindes bewußt: "Es ist ein Kampf gegen Windmühlenflügel." Die meisten von ihm angesprochenen Leute hätten gleichgültig reagiert oder seien sich des Problems gar nicht bewußt gewesen.

So lange er aber gegen das Apostroph-s "noch nicht völlig abgestumpft" ist, will er weiter sammeln.

Die Internetseite von Daniel Fuchs: http://members.aol. com/apostrophs. Dort finden sich auch Verweise auf weitere Internet-Seiten zum Thema "Apostrophenkatastrophen".

Jörn Barke

Akute Apostrophitis

Erst vor wenigen Tagen war die falsche Verwendung des Apostroph-s der Marke "Gänseliesel’s Ostermarkt“ für einen stinknormalen Genitiv Thema einer Tageblatt-Glosse. Aber ach, es ist wieder einmal wie im richtigen Leben: Die Satire hält mit der Wirklichkeit nicht im geringsten stand, mußten wir nach einem Kurzbesuch auf der Apostroph-s-Hass-Seite im Internet schmerzhaft feststellen. Es ist eben immer alles schlimmer. Längst schon wird nicht nur das unschuldige Genitiv-s mit einem Apostroph brutal abgetrennt, nein, auch das Plural-s fällt dieser Abhackorgie zum Opfer, von anderen Buchstaben ganz zu schweigen. So wollen uns immer wieder ausgesprochen gut infomierte Kreise "Info’s“ unter die Nase reiben, die Stadt Krefeld teilt uns per Internet mit, was man "Sonntag’s“ so alles in ihr treiben kann, einige findige Computerspezialisten bieten "Hit’s des Monat’s“ an, und wieder andere essen sogar "Gyro’s“. Da kann nur eine "Wahnsinn’s Schulung“ Abhilfe schaffen. Wa’s soll’s? Wa’s hilft’s? lautet der Sto’s’s’seufzer Ihre’s Jörn Barke

(27.3.99)


Zurück